Nachdem uns vor einigen Jahren schon die Südostküste Norwegens begeistert hatte, haben wir uns für dieses Jahr vorgenommen, weiter nach Westen und Norden vorzustoßen. Gut drei Wochen haben wir Zeit. Als meine Frau und ich am Sonnabend, dem 2. Juli in Strande mit unserer Hanse 341 aufbrechen, weht nur ein leichter Südost, der uns bei mitlaufendem Strom bis zur kleinen Insel Musholm im nördlichen Großen Belt bringt, wo wir an einem neu gebauten Steg die Nacht verbringen. Früh am nächsten Morgen geht es raumschots weiter, und wir erreichen gerade noch vor Dunkelheit Anholt. Nach einer Ankernacht im Vorhafen verbringen wir hier einen schönen Hafen- und Badetag.
Der weitere Weg nach Norden führt uns über Säby nach Skagen, nun allerdings überwiegend mit dem Wind von vorn, denn das große Hochdruckgebiet über der Ostsee ist weggezogen. Es ist leichter Südwestwind angesagt, und so segeln wir am 7. Juli mittags rund Skagen Rev mit Kurs auf Kristiansand. Das Wetter ist auf dieser 80 sm Strecke sehr unbeständig. Spinnackerstrecken werden von Flautenzeiten unter Motor, aber auch von gewittrigen Störungen mit kurzeitigen 6 Beaufort abgelöst. Nach 20 Stunden machen wir früh am nächsten Morgen in Kristiansand fest. In der Stadt herrscht Sommerfeststimmung mit viel Musik und Badeleben. Es wimmelt von Motorbooten, die kommen und gehen. Am folgenden Tag können wir durch die Binnenfahrwasser Richtung Westen meist segeln, umrunden am Nachmittag Kap Lindesnes und machen für die Nacht an der kleinen Insel Prestö (Foto) bei Farsund fest. Sommersegeln vom Feinsten.
Nordwest 4 ist angesagt, und so machen wir uns am 10. Juli auf den Weg rund Lista und gen Norden. Als wir aus den Schären kommen und gerade ein Reff eingebunden haben, erleben wir eine unangenehme Überraschung: Wasser ist in der Bilge! Der Süßwassertank hat sich aus zunächst unbekannter Ursache vollständig, das heißt mit fast 200 Liter, entleert. Eimerweise schöpfen wir auf der Kreuz und bei rauhem Seegang das Wasser aus der flachen breiten Bilge. Die Bilgepumpe schafft bei der Schräglage und den Schiffsbewegungen nur wenig. Schließlich in Egersund angekommen, entsorgen wir die in den Backskisten durchweichten Lebensmittel und finden endlich auch die Ursache: Ein Blindstopfen in einem Schlauchende, ein blanker kurzer Stahlstab, war wegen unzureichend festgesetzter Schlauchklemmen aus dem Schlauch gedrückt worden, so dass sich bei eingeschalteter Süßwasserpumpe der Tank entleerte, vermutlich während wir unter Motor aus dem engen Schärenfahrwasser ausliefen. Natürlich hatten wir die Trinkwasserpumpe eingeschaltet gelassen, was man unterwegs besser nicht tun sollte. Es stellt sich dann heraus, dass auch die Kühlschranksteuerung und der Landladegerät defekt sind. Offenbar haben die Leiterplatinen beider Geräte zeitweilig unter Wasser gestanden. Für den Rest der Reise konnten die Batterien nur über den Motor geladen werden.
Auch für den Folgetag ist Nordwest 3 bis 4 angesagt, so dass wir die Kreuz längs der ungeschützten Westküste Norwegens fortsetzen wollen. Als wir aber aus dem Schutz der Schären herauskommen, merken wir schon, dass es stärker bläst als am Vortag. Nach zwei Stunden, als wir gerade die Höhe des Hafens Sirevaag erreicht haben, briste es auf 7 Beaufort  auf und der Seegang wird rasch höher. Daher entschließen wir uns, nach Sirevaag abzulaufen, ein guter Schutz- und Fischerhafen, wo wir aber das einzige Segelboot sind. Wir erstehen einen Seelachs vom Fischer und machen einen Ausflug an den unerwartet schönen Sandstrand in diesem Küstenabschnitt.
Am nächsten Morgen ist es wieder ruhiger, allerdings wolkenverhangen und diesig. Also kreuzen wir weiter entlang der Küste, möglichst mit dem Golfstrom, aber die flacheren Küstenbereiche meidend, denn der Seegang ist noch immer hoch. Am Abend ist die Kaltfront durchgezogen, und bei Sonne laufen wir in Tanager ein. Unterwegs haben wir noch zwei große Makrelen aus dem Wasser gezogen, so dass wir die Rundung von Norwegens Südwestecke mit einem schönen Abendessen krönen können.
Unser nächstes Ziel ist der Besuch des Lysefjords. Auf dem Weg dorthin legen wir kurz in Stavanger an und machen einen Stadtrundgang durch das belebte und freundliche Zentrum. Weiter segeln wir mit nordwestlichen Winden durch den Schärengarten und den Hogsfjord nach Bergevik am Eingang des Lysefjords. Zwar ist es am nächsten Tag kalt und meist vollständig bewölkt, die Fahrt durch den 20 sm langen Fjord bis Lysebotn und zurück wird uns aber unvergesslich bleiben. Beiderseits steigen die Felswände auf über 1000 m an. Drei Fallschirmspringer gleiten neben uns auf einen kleinen Ufervorsprung. Die Berge spiegeln sich im tiefgrünen Wasser.
Sollen wir nach Bergen weiter segeln? Dafür müssen wir fünf bis sechs Tage einrechnen, und wenn alle Wetterdaten gut sind, könnten wir es gerade schaffen. Die Wetterkarten zeigen jedoch zwei heranziehende Tiefdruckgebiete, und so entscheiden wir uns dagegen und wollen lieber überschüssige Zeit an Norwegens Südküste verbringen. Zunächst genießen wir aber noch einen wunderschönen Segeltag in der Inselwelt nördlich von Stavanger und laufen Kvitsøy (Foto) an, eine zerklüftete Außenschäre mit Schafen, Hummerfischern, zahlreichen Wochenendhäusern, einer großen Radiostation und mit mehreren engen Zufahrten. Wir wählen die Südostzufahrt beim Einlaufen und die Südwestzufahrt beim Auslaufen. Kvitsøy ist zugleich unser nördlichster und westlichster Reisepunkt.
Es ist wieder Nordwest mit 4 Beaufort angesagt, und so brechen wir am 16. Juli nach Süden auf. Schnell geht es weit außerhalb der Küste mit mitlaufendem Strom an Jarrens Rev vorbei. Als wir mittags bereits in  Höhe von Egersund sind, entschließen wir uns weiterzulaufen. Allerdings brist es kontinuierlich weiter auf. Entsprechend verkleinern wir die Segel: zunächst 1 Reff und Fock, dann 2 Reffs und Fock, dann nur noch das zweifach gereffte Großsegel. In der Fock sind durch das Schlagen vorm Wind zwei Nähte aufgegangen. Unser Ziel ist zunächst Listahavn. Alle Wolken sind mittlerweile verzogen und der Wind nimmt weiter zu und wird westlicher. Der lange Seegang wird höher, aber es ist herrlich dahin zu rauschen.  Die Speed-Over-Ground-Anzeige steigt häufig über 11 Knoten. Vor Lista ist Seegang und Wind direkt auflandig, der weiter auf 7 Beaufort zugelegt hat. Wir setzen die Schwerwetterfock, bergen das Großsegel und entschließen uns, noch eine Stunde weiter  um die Halbinsel herum zu segeln, immer noch mit sieben bis acht Knoten Fahrt. Nach elf Stunden Hochseesegeln sind wir im geschützten Binnenfahrwasser und machen schließlich nach über 100 sm im Südhafen des schönen Städtchens Fahrsund fest. Es war einer der schönsten Segeltage, aber wir haben uns auch einen Ruhetag verdient, den wir zum Teil mit Segelnähen verbringen.
Der darauf folgende Tag bringt ein völlig anderes Erlebnis: Bei strahlendem Sonnenschein laufen wir aus Fahrsund aus, werden aber kurz darauf von dichtem Nebel überrascht. Mit sorgfältigster Navigation steuern wir den Kurs durch die Schären Richtung Lindesnes. Jetzt ein in Radargerät zu haben, wäre nicht schlecht. Zwar tut die elektronische Seekarte gute Dienste, aber andere Schiffe sind nur durch das Nebelhorn und Motorgeräusche zu orten. Bei W 2 segeln wir an Lindesnes vorbei, ohne irgendetwas zu sehen und bleiben bis kurz vor Mandal außerhalb der Schären. Auch vor Mandal sehen wir die Felsen und Tonnen immer erst auf 20 Meter. In der innersten Hafeneinfahrt klart es wieder auf. Am Abend lädt der dortige Sandstrand zum Baden ein.
Wir haben nun noch ein paar Tage Zeit, denn frühestens für Montag ist die Schiffsübergabe in Skagen geplant. Wir verbringen die nächsten drei Tage in kleinen Ankerbuchten Orpholmsund,  Skottewik und Skogerö zwischen Mandal und Grimstad, durchqueren das schöne Blindleia und besuchen Lillesand. Das Wetter ist wechselhaft und ziemlich kalt. Als sich am Abend des 23. Juli ein stetiger Südwestwind einstellt – wir sind gerade in Fevik östlich von Grimstad eingelaufen, wo wir aber für einen schlechten Liegeplatz ohne Landanschluss 220 Kronen Hafengeld zahlen sollen – entschließen wir uns noch am gleichen Abend nach Skagen aufzubrechen, 75 sm mit Kurs 119 Grad.
Zunächst ist die Welle steil, weil sie gegen den Südweststrom vor der Küste läuft, aber wir machen bei WSW 3 bis 4 gute Fahrt. Um Mitternacht wird es ruhiger, wegen der Dünung wird zwei Stunden motort. Aber nach Sonnenaufgang erreichen wir bei SSW 3 bis 4 wieder eine gute Marschgeschwindigkeit und umrunden nach zwölf Stunden Skagen Rev. In dem völlig überfüllten Hafen finden wir einen guten Platz, da zu dieser Morgenstunde bereits einige Segler auslaufen. Am Montag, dem 25. Juli übergeben wir das Schiff dem Ehepaar Marschke, das es gut nach Kiel zurücksegelt.
Trotz der technischen Probleme war es eine schöne Sommerreise, und wir sind ganz sicher, mit mehr Zeit in den nächsten Jahren weiter an Norwegens Nordküste vorzustoßen.
 
 
Fotos v.o.n.u.: 

Großer Belt,
Kristiansand, Prestö,
 Lysefjord,
 S. & D.,
Hogsfjord,
 Kvitsöy,
vor Lista, Schärenweg- weiser Mit der IMAGINE in den Lysefjord
Eine Segelreise nach Norwegen vom 2. bis 24. Juli 2005