Die Sommerreise der IMAGINE im Jahre 2006:
eine dreimonatige Ostseerundreise
Wie soll man eine dreimonatige Reise auf zwei Seiten beschreiben? Soviel Zeit hatten wir uns nämlich diesmal für unsere Sommerreise genommen, nachdem wir beide, meine Frau Sabine und ich, im Mai dieses Jahres in den Altersruhestand gegangen sind. Vielleicht als Rundreise durch bedeutende Ostseestädte: Wismar, Rostock, Rönne, Danzig, Klaipeda (=Memel), Liepaja (=Libau), Ventspils (=Windau), Riga, Kuressare (=Arensburg), Tallinn (=Reval), Helsinki, Turku, Mariehamn, Stockholm, Kalmar, Ystad und Kopenhagen? Oder als Entdeckungsreise zu den neuen Ostseeanrainern der Europäischen Union, Polen, Litauen, Lettland und Estland? Oder einfach als Sommersegeltour rund um die Ostsee im mathematisch positiven Sinne ohne enge zeitliche Vorgaben?
Am 2. Juni 2006 starteten wir mit unserer Hanse 341 in Strande und kamen dort nach 2075 Seemeilen in der Nacht zum 1. September wieder an. Die erste Etappe führte uns bei meist nordwestlichen Winden über Heiligenhafen, Grömitz, Wismar und Kühlungsborn nach Warnemünde. Dort ließen wir das Schiff für 5 Nächte liegen, da ich noch an den Feiern zum 100-jährigen Bestehen der Universitätskinderklinik in Kiel teilnehmen wollte. Am 12. Juni ging es endlich richtig los. Drei Wochen entlang an schier endlosen Sand- und Dünenküsten lagen vor uns und das bei schönstem Badewetter. Über Darßer Ort und Vitte segelten wir zunächst nach Glowe östlich von Kap Arkona. Wegen Nordost 6 legten wir hier einen Hafentag ein, bevor wir tagsdrauf bei Ost 4 bis 5 in einem ruppigen Ritt Rönne erreichten. Nach einem Stopp in Snogebaek Havn an Bornholms Südostecke ging es weiter zur polnischen Küste nach Ustka (Stolpmünde) und von dort über Leba und Wladislawowo nach Danzig. In Leba machten wir einen herrlichen Fahrradausflug zu der riesigen Wanderdüne und von Danzig aus, das wir bereits kannten, auch eine Dampferfahrt auf dem Oberländischen Kanal von Maldyty nach Elbing, wo die Schiffe zwischen den Seen und Flussläufen auf den Schienen über die Berge hinauf und hinunter fahren. Ein ganz besonderes Erlebnis.
Mit der Überfahrt nach Klaipeda hatten wir Glück. Bei konstanten Südost 4 Bft. segelten wir die 110 Meilen von 15 Uhr bis 8 Uhr durch eine sternenklare Nacht. Das alte Memel bietet neben dem Annchen von Tharau heute nicht viel Sehenswertes, aber die Tour in das Kurische Haff nach Nidden wird uns unvergesslich bleiben. Zwar mussten wir auf dem Hinweg durch das enge Fahrwasser viel motoren. Aber Nidden auch über Nacht zu besuchen, ohne die Flut der Tagesausflügler, lohnt sich sehr. Mit dem Fahrrad erkundeten wir die Dünenlandschaft, den Ostseestrand, das Thomas-Mann-Haus, die alten Friedhöfe und das schöne Dorf mit den rotblauen Häuschen.
Das Ausklarieren in Litauen und Einklarieren in Lettland verlief wie auch die Grenzkontrollen in den anderen Ländern zügig und problemlos, insbesondere, wenn man sich über Funk vorher angekündigt hat. Wir segelten von Nidden zunächst bei West-, dann bei Nordwest- und Nordwind die lettische Küste hinauf über Liepaja, Pavilosta und Ventspils, meist auf der Kreuz und mit gerefften Segeln. Aber die Sonne schien warm und in den Häfen erwarteten uns feinste Sandstrände, preiswerte Lokale und gastfreundliche Menschen. Während der Einfahrt in den Hafen von Ventspils hielt Jens Lehmann zwei Elfmeter gegen Argentinien. Wegen der wilden Dünung fiel mir dabei mein Weltempfänger aus der Hand. Auch sonst verfolgten wir natürlich das Fußballfest in Deutschland laufend, mit dem DVBT-Empfänger am Laptop, auf öffentlichen Plätzen oder in Pubs.
Der Leuchtturm Ovisi bei Kolka trennt den Rigaischen Meerbusen von der Ostsee wie Skagen das Skagerrak vom Kattegatt. Ihn umrundeten wir am 2. Juli und liefen dann über Roja und Engure nach Riga. Die Letten freuen sich über ihre neue Freiheit und sehen optimistisch in die Zukunft. Vor allem Liepaja gefiel uns gut. Aber noch schöner und lebendiger ist die Jugendstilmetropole Riga, wo wir fast drei Tage blieben. Weiter segelten wir über die estländischen Inseln Ruhnu, Saaremaa (Kuressaare und Köiguste) und Kihnu nach Virtsu, Haapsalu und Lohusalu nach Tallinn. Wir besuchten alte Burgen und Kirchen, 200 Jahre alte Kurorte und mittelalterliche Zunft- und Kaufmannshäuser. Überall fanden wir gut ausgebaute, aber wenig belegte Häfen vor und trafen auf hilfsbereite freundliche Menschen.
Die großen Ostseestädte Danzig, Stockholm und Kopenhagen kannten wir schon. In Riga, dem Paris des Ostens, dem mittelalterlichen Tallinn und im modernen Helsinki haben wir jeweils mehrere Tage zugebracht; es fällt schwer so unterschiedliche Städte zu vergleichen, aber Riga hat uns mit seiner Fröhlichkeit und Offenheit, den vielen Straßenlokalen und Musikereignissen und nicht zuletzt den hübschen, gut angezogenen jungen Damen wohl am besten gefallen. Dagegen wirkte die an sich schöne Altstadt von Tallinn auf uns durch die vielen Tagestouristen ziemlich unnormal: viel Nepp, wenig normales Leben. Das reichere und saubere Helsinki war dann wieder eine andere Welt. Aber auch teurer.
Über Finnland hatte sich nun ein Tief festgesetzt, das uns zusammen mit dem zentraleuropäischen Hoch für eine Woche kühlere Nord- und Nordwestwinden bescherte. Wir nutzten eine kurze Westwindphase, um den Finnischen Meerbusen nach Helsinki zu überqueren, wobei wir mit 7 bis 8 Knoten den Schnellfähren Konkurrenz machten. Nach einer letzten Passkontrolle auf der sehenswerten Festungsinsel Suomenlinna waren wir im schengener Gebiet und brauchten uns von nun an nicht mehr bei den Grenzbehörden zu melden.
Während wir bisher an Sandstränden vorbei meist durch breite Fahrwasser fuhren, segelten wir die kommenden 600 Meilen nur noch durch Steine, Felsen, Klippen, Tonnen und Baken. Die Schärenwelt im Finnischen Meerbusen, dem endlosen Inselarchipel westlich von Hankö und Turku, die Ålands und die nördlichen Stockholmer Schären hatten wir noch nicht besucht. Wir machten an traumhaften kleinen Inseln wie Helsingholm, Gullkrona, Seli, Näsby, Rödhamn und Granhamn fest, aber auch in schönen Städten und Dörfern wie Hankö, Turku, Mariehamn, Sandhamn, Vaxholm und Stockholm. In Turku war der gesamte Hafen für die Swan-Yachten gesperrt, die hier den 40. Geburtstag der Nautor-Werft feierten. Nach langem Bitten durften wir jedoch abseits der stolzen Flotte in einer Ecke festmachen.
Im Vaasahafen von Stockholm konnten wir auch endlich unsere blaue Gasflasche tauschen; in Tallinn, Helsinki und Mariehamn hatten wir das vergeblich versucht. Hier war es so heiß, dass wir bald wieder weiter segeln wollten. Wir wählten den Weg über den Mälarsee nach Süden, nicht ohne uns die alte Wikingerinsel Björkö und das Schloss Gripsholm in Mariefred anzusehen.
Durch den Södertalje-Kanal sind wir dann nach Trosa und Nyköping gesegelt. Leider hatten wir viel Südwind, so dass wir häufig kreuzen oder in engen Fahrwassern motoren mussten. Nach einem zweitägen Besuch unseres dreijährigen Enkels Frederik an Bord segelten wir in zwei Wochen dann die schwedische Ostküste bis Utklippan hinunter, nicht ohne an traumhaft schönen Schären wie Broken, Svartsskogskär, Harstena, Lille Alö, Krökö und Blå Jungfrun mit Heckanker festzumachen. Drei Tiefs drehten sich laufend umeinander und brachten teils kräftigen Regen, meist aber nur nachts. Die schwedischen Sommerferien waren vorbei, und wir hatten etliche schöne Felsenbuchten ganz allein für uns. Auf dem Weg von Figeholm nach Borgholm machten wir bei Flaute an Blå Jungfrun fest, auf der wir einen wunderbaren Spaziergang machten.
Über Kalmar, Utklippan, Simrishamn und Ystad sind wir weiter bei wechselnden westlichen Winden heimwärts gekreuzt. Da ein Sturmtief heranziehen sollte, nutzten wir den ruhigen Tag davor, um von Ystad bis Vallensbäk durchzufahren. Von dort besuchten wir an zwei Tagen mit der S-Bahn Kopenhagen. Museumsbesuche und andere Besichtigungen ließen Sturm und Regen vergessen. Das Wetter sollte aber auch danach nicht besser werden, so dass wir anschließend zügig über Rödvig, Vordingborg und Fejö nach Kiel zurücksegelten. Nach einer letzten langen Kreuz bei Südwest 5 durch den Langelandbelt und über die Kieler Bucht machten wir am 31. August erst kurz vor Mitternacht bei strömenden Regen im Strander Hafen fest. Aber auch dieser anstrengende Abschluss konnte den guten Gesamteindruck der Reise und die vielen schönen Erlebnisse und neuen Eindrücke nicht verdrängen.
P.S.