Ostseerund, diesmal im Uhrzeigersinn
Mit der SY IMAGINE vom 10. Juni bis 3. August 2011
nach Schweden, Ålands, Finnland, Estland, Lettland und Polen.
Ostseerund, diesmal im Uhrzeigersinn
Mit der SY IMAGINE vom 10. Juni bis 3. August 2011
nach Schweden, Ålands, Finnland, Estland, Lettland und Polen.
Unsere diesjährige Sommerreise führte uns wieder einmal in die nördliche und östliche Ostsee. Sabine und ich erhofften uns lange Abende und helle Nächte und segelten deshalb schon am 10. Juni 2011 in Strande los. Im Gegensatz zu früheren Reisen umrundeten wir die Ostsee dieses Mal rechts herum. Der anfängliche Westwind drehte auf Nord und schlief bald ein, so dass wir am ersten Tag nur bis Lemkenhafen auf Fehmarn kamen. Sehr wechselhaftes Wetter mit Winden zwischen Südost und West führte uns dann weiter durch Smålandsfahrwasser und den Grönsund nach Südschweden mit Übernachtungen in Onsevig, Stege, Smygehamn und Ystad. An einem sehr schönen Segeltag rauschten wir dann vorm Wind in gut sechs Stunden nach Christiansö. Der Hafen war noch nicht überfüllt und der lange Sonnenuntergang tauchte diese malerischen Inseln, wie auch den nächste Felsen, Utklippan, in schönes Licht, während überall Jungvögel die ersten Lauf-, Schwimm- und Flugversuche machten. Den Kalmarsund passierten wir mit Strom und Winden von achtern und gelegentlichen Gewittern, wobei wir in Bergkvara, Kalmar und Figeholm festmachten. Hier legten wir einen Hafentag ein, denn der Service ist dort einmalig (geringes Hafengeld, freier Internetzugang, bereit stehende Fahrräder, schöne Umgebung).
Eine schlechte Wettervorhersage verschlug uns nach Västervik, bevor wir auf dem weiteren Weg nach Norden fast nur noch Felsenplätze aufsuchten. Der Südwind führte uns in eine nach Norden offene Bucht auf Gubbön, wo wir am Felsen längsseits gehen konnten. Nach dem Regen erlebten wir einen schönen Sonnenuntergang. Früh am nächsten Morgen wurden wir aber durch lautes Plätschern und Heulen geweckt: Ein kräftiger Nordwind entwickelte sich, so dass wir das Schiff noch vor dem Frühstück auf die Südseite der Insel bringen mussten. Der Wind heulte und das Wasser fiel vom Himmel, während wir Anker warfen. Der Buganker hielt zunächst nicht und ein zweiter musste ausgebracht werden, bevor wir endlich unseren Kaffee trinken und die Sachen trocknen konnten. Als der Regen gegen Mittag aufhörte, suchten wir nur wenig weiter nördlich bei Väggön einen reizvolleren Liegeplatz auf, wieder längsseits am Felsen, nun aber nach allen Seiten geschützt. Diese Bucht füllte sich gegen Abend mehr und mehr mit schwedischen Segel- und Motorbooten: Das Mittsommerwochenende nahte. Sonne und Regen lösten sich auch bei der Weiterfahrt ab. An Arkösund vorbei ging es zu der kleinen Insel Svatskogsskär, wo einige Segler bereits einen Mittsommernachtsbaum geschmückt hatten. Die andauernde Tiefdrucklage brachte uns immerhin südwestlichen Wind, mit dem wir weiter durch das enge Schärenfahrwasser bis ins schöne Trosa segelten. An einem Hafentag mit Sonne und Regen suchten wir mit unseren Bordrädern einige Runensteine aus der Wikingerzeit auf.
Dann hatte uns die Hitze plötzlich voll im Griff. Wolkenloser Himmel und leichte Südwinde bestimmten die nächsten Tage. Daher wählten wir, anders als zunächst geplant, nach Stockholm nicht den Weg durch den Södertaljekanal, sondern über die Außenschären. Wir machten auf der zauberhaften Insel Utö fest und erkundeten die hügelige Landschaft mit Windmühlen, aufgegebenen Eisenerzgruben und einsame Badeecken mit unseren Rädern. Am nächsten Nachmittag segelten wir noch ein wenig weiter in die unbetonnten Aussenschären hinein und gingen in der schönen Mörkviken von Fjärdlång vor Anker. Dann ging’s mit leichtem Wind und brennender Sonne von achtern nach Norden bis Malmakvarn. Das iPhone, das ich zum Navigieren durch die Klamotten benutzte, steckte zum Aufladen in der Aussensteckdose und war dabei der prallen Sonne ausgesetzt. Das mag es nicht. Früher hatte es sich davon schon einmal erholt. Aber diesmal war es wohl definitiv wesentlich zu heiß geworden und hatte einen Teil seiner Identitätsdaten vergessen. Nach einem Neustart forderte es mich auf, es mit seinem Master, dem häuslichen iMac, zu verbinden, was natürlich nicht ging. So mussten wir den Rest der Reise ohne iPhone weiter segeln, was nicht so einfach ist, wenn man sich erst einmal in die Abhängigkeiten dieser Technik begeben hat (Seekarten-plotter, Wetterberichte, Adresslisten, E-Mail-Verkehr, Skype usw.).
Von Malmakvarn aus fuhren wir an Saltjöbaden vorbei durch die Baggenstäket und Skurusund zum Wasahafen. Wir verbrachten zwei schöne Tage (30.6.-2.7.) in Stockholm, bevor das Hoch nach Finnland abwanderte und wieder wechselhaftes Wetter mit starkem Nordostwind einsetzte. Gerefft segelten wir zunächst nach Osten zu einem Felsenliegeplatz auf Säck und dann nach Norden zur Aussenschäre Rödlöga, wo wir hinter den Felsen guten Schutz fanden. Dieser Platz ist ein guter Ausgangspunkt für die Überfahrt zu den Ålands. Der anfänglich noch starke Nordwind nahm nach dem Regen ab, so dass wir die letzten Meilen bis Rödhamn motoren mussten. Auch in den Folgetagen wehte kein Wind, nur eine dichte Dunstschicht lag über den flachen Inseln. Weitgehend unter Motor gelangten wir zur Ferieninsel Lappo und segelten dann bei Badewetter in die finnische Inselwelt hinein bis Nagu (Nauvo) südlich von Turku, wo wir uns mit dem neuen Eigner der Zukunft II (heute wieder Cläre), Herrn Jean-Mark H. verabredet hatten. Längsseits an der alten Kuh liegend verbrachten wir einen netten Abend zusammen mit seiner Familie.
Auch die nächsten Tage im finnischen Inselarchipel waren von Hochsommerwetter bestimmt. Wir besuchten Gullkrona, Kejsarhamn und Hanko, bevor wir bei westlichen Winden über den finnischen Meerbusen nach Suursadam auf der Insel Hiiumaa segelten. Obwohl dieser Hafen im Hafenhandbuch von Jörn Heinrich positiv beschrieben ist, hatten wir den Eindruck, dort das erste Segelboot seit langer Zeit zu sein. Da keine Ansteuerungstonnen verlegt sind, gelingt es nur mit stetiger GPS-Kontrolle, den Weg durch die Steine zu finden. Ein altes Speicherhaus ließ erkennen, dass der Hafen einmal bessere Tage erlebt hat. Einzig ein paar junge Männer auf einer schwimmenden Sauna brachten etwas Leben in den verlassenen Ort.
Unser nächstes Ziel war Riga. Gegen den aufkommenden Südwind wollten wir nicht kreuzen, sondern segelten ostwärts in das uns wohlbekannte Haapsalu, wo sich Estland von seiner besten Seite zeigt. Trotz starken Regens liefen wir dort aber schon am nächsten Morgen früh aus, um den kräftigen Nordwestwind zu nutzen und über Ruhnu bis Riga zu segeln, Etappen von 82 und 57 sm. Wir radelten durch die uns schon bekannte Stadt mit ihren gut restaurierten alten Bauten aus der Hansezeit und Jugendstilhäusern und fuhren mit der Bahn zu den alten Badevorort Jurmala mit seinem 30 km langen Sandstrand.
Heimwärts segelten wir entlang der lettischen Küste über Engure, Roja, Ventspils und Pavilosta nach Liepaja. Wir hatten diese Orte schon vor 5 Jahren einmal besucht und mussten feststellen, dass sich die Anlegestellen, anders als damals versprochen, kaum zum Besseren entwickelt hatten. Einzig Liepaja (Libau) ist wirklich besuchenswert. Die Stadt ist von den Ostseekreuzfahrern noch nicht entdeckt, obwohl sie bestimmt eine der schönsten und lebendigsten Ostseestädte ist. Uns gefielen die wunderschönen alten Holzvillen und Biedermeierhäuser, der schöner Park mit dem alten Baumbestand entlang des herrlichen Strandes und die gewaltigen Kirchen. Am bemerkensten ist die Dreifaltigkeitskirche mit der größten mechanisch traktierte Orgel der Welt (131 Register, 4 Manuale und über 7000 Pfeifen, 1885 gebaut von B. Grüneberg). Wir hatten das Glück, ihren transparenten Klang bei einer Konzertprobe erleben zu können.
Nachzutragen ist noch ein Malheur: Beim Rückwärtsablegen vom Schwimmsteg in Roja stieß das Ruderblatt an einer Stelle gegen den Grund, wo es eigentlich tief sein sollte (siehe Bild). Bei einer genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass unten am Blatt ein Stück abgebrochen war. Die Ruderwirkung war seitdem vermindert.
Nach unserem Zeitplan hatten wir nun für die Rückfahrt noch drei Wochen Zeit. Von der erhofften Hochdrucklage keine Spur, die Wetterkarte zeigte nur Tiefdruckgebiete und Frontensysteme. Ein sich verstärkendes Tief sollte von Tschechien über Polen nach Bornholm heraufziehen. Seine Rückseite würde uns in Klaipeda starken Südwestwind bringen und dort einige Tage festhalten. So entschlossen wir uns kurzfristig, von Liepaja aus noch auf der Nordseite dieses Tiefs direkt nach Polen zu segeln. Das bedeutete eine Nachtfahrt von 160 sm mit Kurs 230 Grad nach Leba.
Der Wind kam genau von achtern, meist mit 4 Bft, vorübergehend auch mit 5-6 (reffen). Wir segelten mit ausgebauter Fock und Bullentaille am Großbaum, als in dunkelster Nacht um ein Uhr im Osten zunehmendes Wetterleuchten erschien. In unserer Umgebung waren auch die Positionslichter einiger Frachter erkennbar. Das Gewitter kam näher und entlud sich direkt über uns mit spektakulären Blitzen, Winddrehungen und Wassermassen von oben. Also schnell die Segel bergen und motoren. Wir sahen noch lange das Wetterleuchten im Westen und segelten bis zu Morgengrauen nur mit der Fock weiter, bis wir auch das Großsegel wieder setzten und gegen halb Elf bei mäßigem Wind, aber großer Dünung in Leba einliefen. Am Nachmittag briste es kräftig auf, so dass wir am feinen Sandstrand in der hohen Brandung baden konnten.
Auch der weitere Weg nach Westen war von Tiefdrucksystemen bestimmt. Starkwind, lange Regenstunden und totale Flaute lösten sich längs des Weges über Darlowo, Kolberg und Dievenow ab. Die Häfen von Utska (Stolpe) und Darlowo (Rügenwalde) waren in einem beklagenswertem Zustand. Der Kolberger Yachthafen war wegen Umbaus voll gesperrt. Bei spiegelglatter Ostsee motorten wir von Dievenow bis Lohme auf Rügen und hatten dann endlich einen schönen Segeltag, bis uns in Kloster auf Hiddensee wieder die Tiefdruckfronten erreichten. Zwei Tage mussten wir dort bei Dauerregen und Starkwind aus West verbringen. Versöhnt wurden wir auf dem restlichen Heimweg über Warnemünde, Kühlungsborn und Heiligenhafen nach Strande mit Sonne und endlich einsetzendem Ostwind.
Die Bilanz? Ein defektes iPhone, ein abgebrochenes Ruderblatt, viele Regentage, aber auch schöne Sonnenuntergänge und helle Nächte, Badefreuden an entlegenen Felsen und nette Treffen mit anderen Seglern.
Christiansö
Christiansö
Gubbön, ostschwedische Schären
Utö
die Cläre in Nagu, Finnland
Ankern vor Gullkrona
Orgelkonzert in Liepaja
Abendstimmung in Lohme
Roja, am Rigaischen Meerbusen
(mit Markierung der flachen Stelle am Ende des Stegs)